Wir sind Vesperkirche

Wir sind Vesperkirche! Einmal im Jahr, vier Wochen lang vom 1. Sonntag nach Dreikönig bis Anfang Februar. Essen und Trinken im Kirchenraum.

Weder der Raum noch die Speise machen Vesperkirche aus. Es sind die Menschen, die dazu beitragen, dass Vesperkirche in Karlsruhe das geworden ist, was sie heute ist. Hinter dem „wir“ stehen viele Menschen. Da ist zunächst die Gemeinde Johannis-Paulus, die vor mehr als 10 Jahren bereit war, ihren Kirchenraum am Werderplatz zur Verfügung zu stellen. Es war ein Experiment, auf das sie sich eingelassen hatte, denn niemand wusste, ob Vesperkirche gelingen oder ein Flop werden würde.

Das Risiko war nicht gering: Der Kirchenraum musste umgebaut werden. Die Bänke wurden entfernt, ein neuer Boden gelegt. Und neben dem finanziellen Aufwand waren Menschen davon zu überzeugen, den sakralen Raum Kirche zu öffnen für die Verköstigung bedürftiger Menschen, also Essen und Trinken dort, wo sonst Gottesdienst gefeiert wird. Für das Gelingen ist auch ein Team nötig, das das Jahr über alles plant und organisiert. Und was wäre Vesperkirche ohne die vielen ehrenamtlich Mitarbeitenden!

Damit ein Vesperkirchentag gelingt, benötigen wir täglich rund 50 Mitarbeitende, die sich einsetzen lassen beim Vesperbrote-Schmieren, der Essensausgabe, dem Kaffeeservice, dem Ordnungsdienst, der Kleiderkammer, Lager- und Bringdiensten sowie bei der Abholung der Spenden, vor allem auch der nötigen Lebensmittel – unabhängig vom beruflichen und sozialen Hintergrund. Da die ehrenamtlich Mitarbeitenden nicht an jedem Tag der Woche Zeit haben und im Übrigen sehr viele Menschen gern ihren Teil zum Gelingen beitragen möchten, haben wir über die vier Wochen Vesperkirche jeden Tag ein anders zusammengesetztes Team. Und zu unserem großen Erstaunen entwickelt sich jeden Tag aufs Neue eine wunderbare Zusammenarbeit.

Schließlich gibt es keine Vesperkirche ohne die Wichtigsten: unsere Gäste. In unserer Vesperkirche hat sich bereits von Anfang an eine sehr friedliche, freundliche und offene Atmosphäre entwickelt, in der sich alle – Gäste und Mitarbeitende – wohlfühlen. Über die Jahre ist Vertrauen gewachsen, und wir konnten mit unseren Angeboten u. a. der ärztlichen und der tierärztlichen Betreuung, der Sozialberatung, der Möglichkeit eines kostenlosen Haarschnitts viele Menschen – und ihre Vierbeiner – unterstützen. Außerdem veranstaltet jedes Jahr eine Künstlerin aus der Südstadt ein Kunstprojekt, an dem jede/r teilnehmen kann. Zur Unterhaltung der Gäste finden nachmittags musikalische Angebote statt, und aus der Vesperkirche heraus haben sich ein Chor und ein Orchester organisiert.

10 Jahre Karlsruher Vesperkirche

Sie werden jetzt sagen: na prima, „Armenspeisung“ einmal jährlich und dann? Wie geschildert ist Vesperkirche mehr als Essen und Trinken. Und wir sind auch unterm Jahr präsent. Nach einer der ersten Vesperkirchen stießen unsere Gäste genau diese Frage an, ob nämlich das Jahr über ein Angebot möglich wäre. Daraus hat sich das Café Dia entwickelt, das an drei Tagen in der Woche Essen auf die Hand, Kleiderkammer und Kaffee anbietet – wiederum getragen von ehrenamtlich Mitarbeitenden. Und natürlich sind wir Ansprechpartner in allen möglichen Belangen. In den „Corona-Jahren“ haben wir, der Not gehorchend, eine „Straßenvesperkirche“ durch die Kirchhöfe organisiert und das Essen aus Weihnachtsmarkthütten ausgegeben.

Wir sind Vesperkirche heißt für uns auch, dass jedermann und jedefrau willkommen sind. Es kommen zu uns nicht nur Menschen, die Probleme haben, das tägliche Essen zu bezahlen, und froh sind über die vierwöchige kostenlose Möglichkeit. Nein, wir haben auch andere Gäste, die gern einmal über ihren eigenen Tellerrand schauen wollen, Menschen, die die Gelegenheit nutzen möchten, mit anderen ins Gespräch zu kommen, die sie sonst nicht ansprechen würden, um vielleicht auch zu verstehen, warum ein Leben eben auch anders verlaufen kann als das eigene, gesicherte.

So gesehen bietet Vesperkirche eine Brücke über Grenzen hinweg, Kommunikation wird möglich, die außerhalb dieses Raumes kaum stattfinden würde. Vesperkirche ist zu einem Ort der Begegnung geworden, und zwar der Begegnung auf Augenhöhe. Das führt zu Verständnis, Akzeptanz, baut Schranken ab. Zu sagen wäre noch, dass wir sowohl auf Seiten unserer Gäste als auch der Mitarbeitenden nicht nur Kirchenmitglieder finden.

Im Gegenteil. Es gibt viele kirchenferne Menschen, die das Projekt „Vesperkirche“ gut finden, es gern unterstützen bzw. in Anspruch nehmen, weil es eben mehr ist, als eine vierwöchige Armenspeisung. Schließlich merken wir durch die Spendenbereitschaft der Bürger und Firmen in Karlsruhe und Umgebung, wie vielen Menschen unsere Vesperkirche am Herzen liegt und die sie deshalb gern unterstützen. Danke auch dafür!

Der Fotograf Gustavo Alàbiso hat während der „Corona“-Jahre die Vesperkirche begleitet und Menschen – Gäste wie Mitarbeitende – „eingefangen“ auf seinen Fotografien, die Sie in dieser Broschüre und der Ausstellung betrachten können. Lassen Sie sich mitnehmen von seinem (Künstler-) Blick auf die Menschen und entdecken Sie das Wunderbare in jedem Einzelnen von ihnen. Diese Menschen sind Vesperkirche!

Lara Pflaumbaum, Britta Hansen, Bruno Wenz
Projektleitung der Vesperkirche

Lara
Pflaumbaum
Britta
Hansen
Bruno
Wenz